Tritt ein, sag nein
Seit Jahresbeginn 2018 verzeichnet die SPD 24.339 neue Mitglieder (Stand April 2018).
Grund für den Ansturm: wer bis Dienstag, 6. Februar um 18.00 Uhr SPD-Mitglied wurde, durfte mit darüber abstimmen, ob die Sozialdemokraten nach ihrem desaströsen Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2017 in eine neue Große Koalition mit der Union gehen. Die Gegner:innen der GroKo um den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert hatten mit dem Slogan »Tritt ein, sag nein« um Neumitglieder geworben, um ein »Nein« der Parteibasis zu erreichen.
Der Run auf die Parteibücher war derart groß, dass nicht allen Anträgen rechtzeitig zum Stichtag am 6. Februar stattgegeben werden konnte, trotz der extra dafür eingesetzten Mitarbeiter:innen. Kevin Kühnert beansprucht den enormen Mitgliederzuwachs für die Jusos: »In aller Bescheidenheit: Die Jusos nehmen gerne einen SPD-Toaster für besondere Verdienste um die Mitgliederentwicklung unserer Partei entgegen«, twitterte er. (Diesen Toaster hat er übrigens tatsächlich bekommen.)
Britta, 50, Pädagogin, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat für die GroKo gestimmt
Simon, 27, Pressereferent, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat gegen die GroKo gestimmt.
Bert, 69, ehemaliger Geschäftsführer im Gesundheitswesen, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat für die GroKo gestimmt
Bettina, 59, Krankenpflegehelferin, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat gegen die GroKo gestimmt. Ihre Anliegen sind eine Verbesserung der Situation für Pflegende und für die von ihnen betreuten Menschen sowie der AfD etwas entgegen zu setzen.
Sima, 45, Gründerin eines Bildungsträgers für Geflüchtete, SPD-Neumitglied seit November 2017, hat gegen die GroKo gestimmt.
Eric, 26, Chemiestudent, SPD-Neumitglied seit Ende 2017, hat gegen die GroKo gestimmt. Es ist ihm wichtig, dass das Soziale ein wesentlicher Bestandteil deutscher Politik wird.
Adelheid, 68, Lehrerin im Ruhestand, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat für die GroKo gestimmt. Sie möchte – in Vernetzung mit anderen Sozialdemokrat:innen – sich auf lokaler Ebene einbringen und generell wünscht sie, dass eine soziale Partei Regierungsverantwortung trägt.
Hans-Peter, 69, Elektriker im Ruhestand und aktiver Hausmeister, SPD-Neumitglied seit Januar 2018, hat mit Bauchschmerzen für die GroKo gestimmt. Er möchte sich in Zeiten des Höhenfluges der rechtspopulistischen AfD aktiv am politischen Prozess zu beteiligen. Das Erstarken rechter Denkmuster bereitet ihm Sorge.
Ich habe mich mit einigen dieser Neumitglieder getroffen. Den Slogan »Tritt ein, sag nein« empfinden sie durchweg als ärgerlich, ob sie nun für oder gegen die GroKo gestimmt haben – sie halten ihn dem ernsten Thema und den vor der SPD liegenden großen Aufgaben gegenüber für unangemessen. Sie alle – ob pro oder kontra GroKo – wollen Mitglieder der SPD bleiben und sich aktiv beteiligen.
Einer dieser Neumitglieder ist mein Onkel Peter. Er ist mittlerweile 75 Jahre alt und Elektriker im Ruhestand. Er arbeitet weiterhin als freiberuflicher Hausmeister und ist dankbar dafür, dass er gesundheitlich dazu imstande ist, genügend Kundschaft und zudem Freude an der Arbeit hat. Sein Engagement in der SPD beeindruckt mich zutiefst, vor allem seine Motivation dafür: statt sich in einer unsinnigen Neiddebatte à la »Geflüchtete bekommen alles und meine Rente ist knapp« zu ergehen, eine Falle, in die leider viele tappen, ist es ihm wichtig, dem Erstarken der rechten Kräfte etwas solidarisches und demokratisches entgegenzusetzen. Chapeau, Peter, ich bin mega stolz auf Dich!!